Unser TresenTalk am 24. Juli 2025 drehte sich genau darum: Müssen wir uns als Freelancer:innen spitz positionieren, um sichtbar zu sein? Oder ist Vielseitigkeit das eigentliche Kapital? Die Runde war sich schnell einig: Es kommt drauf an. Aber es gab viele spannende Einsichten, wie man bewusst zwischen Breite und Tiefe navigiert.
1. Drei Fragen als Kompass
Die Entscheidung für Spezialisierung oder Generalismus ist keine Bauchentscheidung, sondern sollte bewusst getroffen werden. Hilfreich sind drei Fragen:
- Was kann ich wirklich? Ehrliche Bestandsaufnahme statt Wunschdenken.
- Woran habe ich Freude? Tiefgang ohne Begeisterung endet schnell in Frust.
- Wofür zahlt der Markt? Nachfrage, Stundensätze und Konkurrenz checken.
Nur wenn alle drei Lampen grün leuchten, hat man langfristig Freude am Arbeiten.
2. Generalist:in ≠ Bauchladen
Ein wichtiger Aha-Moment: Generalistisch arbeiten heißt nicht „alles ein bisschen, nichts davon richtig“. Sondern: Überblick verschaffen, Probleme identifizieren, Schnittstellen beherrschen – und wissen, wann Spezialist:innen gebraucht werden.
Generalist:innen sind oft die „Allzweckwaffen“ im Projekt. Sie starten breit, klären die richtigen Fragen und ziehen später Fachleute hinzu. So entsteht Klarheit statt Kuddelmuddel.
3. Core & Satellites – das Beste aus beiden Welten
Besonders inspirierend war das Bild der Core-Satellite-Strategie:
- Dein Core ist die Kernkompetenz, mit der du im Elevator Pitch punktest.
- Deine Satellites sind ergänzende Skills, die dich anschlussfähig machen.
Beispiel: Eine UX-Designerin (Core) ergänzt mit Prototyping und Workshop-Moderation (Satellites). Oder ein Finance-Texter bietet zusätzlich LinkedIn-Ghostwriting an.
Das Ergebnis: Ein griffiges Profil, das Tiefe UND Breite vereint – und im Projekt für Überraschungspunkte sorgt.
4. Timing entscheidet
Die Wahl zwischen Generalist:in und Spezialist:in ist oft eine Frage des Timings:
- Breit starten, spitz enden: Zu Beginn braucht es Überblick, um das richtige Problem zu erkennen.
- Spitz starten, breit ausrollen: Mit einem klaren Skill die Tür öffnen, danach Zusatznutzen bieten.
Das macht Projekte flexibler – und gibt Kund:innen das Gefühl, dass sie in guten Händen sind.
5. Wer fragt, führt
Statt gleich mit Antworten zu glänzen, lohnt es sich, kluge Fragen zu stellen. Sie schaffen Vertrauen, zeigen Kompetenz und öffnen die Tür zu Zusatzaufträgen.
Ein schönes Bild aus der Runde: „Manchmal glaubt der Kunde, er braucht einen Hammer, um eine Schraube in die Wand zu schlagen. Eine gute Frage deckt auf, dass eigentlich ein Schraubenzieher nötig ist.“ Fragen sind also kein Zeichen von Unwissen, sondern von Stärke.
6. Kein Entweder-Oder
Zum Schluss wurde deutlich: Es gibt kein Patentrezept. Beide Wege haben Vorteile:
- Generalist:innen sind resilienter, weil sie in mehr Bereichen andocken können, Innovationen begleiten und bei Marktschwankungen flexibler bleiben.
- Spezialist:innen können ihre Expertise oft teurer verkaufen und sind im Pitch leichter greifbar.
Gerade in frühen Phasen neuer Entwicklungen – Stichwort Social Media, Influencer oder jetzt KI – sind es Generalist:innen, die das Feld sondieren, bevor sich Spezialisierungen herausbilden.
Fazit: Die Kunst liegt im Mix
Ob Breite oder Tiefe – entscheidend ist, bewusst zu wählen, klar zu kommunizieren und die eigene Strategie konsequent zu verfolgen. Breite macht anschlussfähig, Tiefe macht unersetzlich. Und manchmal ist es genau umgekehrt.
Das Schönste daran: In einer Community wie unserem Collab Café müssen wir diese Fragen nicht alleine klären. Am Tresen teilen wir Erfahrungen, streiten konstruktiv und finden gemeinsam neue Wege.